Ausgangssituation – Fichte, Fichte, Fichte
Ende Februar 1990: Orkan Vivian und einige Tage später Orkan Wiebke fegen über Deutschland und hinterlassen eine Schneiße der Verwüstung. Auch der Distrikt Reitberg im Marktgemeindewald Stadtlauringen ist betroffen, in der Abteilung Lerchenäcker werden große Flächen der Fichtenbestockung geworfen oder gebrochen. Noch stärker trifft es den Gemeindewald Stadtlauringen am 29.Juni 1997. Nach einem Sommersturm liegt so viel Holz wie der dreifache Jahreseinschlag am Boden.
Im Reitberg trifft es auch die wenigen verbliebenen Laubbäume. Ihre belaubte Krone wirkt wie ein Segel und bietet dem Wind eine große Angriffsfläche.
Nach den Aufräumarbeiten beginnt eine Odyssee der Wiederaufforstung mit zahlreichen Rückschlägen. Der verbliebene Restbestand löst sich Zug um Zug weiter auf, denn Borkenkäfer und folgende Windereignisse fordern ihren Tribut.
Wiederaufforstung – zunächst Laubholz, später Fichte
Erfolgte die Kulturbegründung anfangs noch mit dem Ziel irgendwann einmal hochwertiges Holz ernten zu können, galt es später, überhaupt wieder eine Waldbestockung zu erreichen. Wegen hoher Ausfälle durch Trockenheit, Mäuse und Wildschäden wird mit Bergahorn, Spitzahorn, Rotbuche, Esche, Winterlinde, Elsbeere und Douglasie nachgebessert. Weil auch hier wieder erhebliche Ausfälle auftreten, werden wiederum Walnüsse, Küstentannen und wegen der aussichtslosen Lage sogar Fichten gepflanzt. Immer wieder müssen die kleinen Pflänzchen ausgegrast werden, doch nur wenige Pflanzen schaffen es dem Gras zu entwachsen. Über die Fläche verteilt konnte sich dennoch vereinzelt die Eiche natürlich verjüngen.“
Gras, Maus, Aus
Durch die Verwilderung der Fläche, mit Gras und teilweise auch Brombeeren besiedeln Mäuse die Fläche. Im Gras finden sie nicht nur Nahrung und Unterschlupf, sondern auch Schutz und Deckung gegenüber Fressfeinden. Im Winter benagen sie die gepflanzten Bäume und fressen rund um den Wurzelhals die Rinde der Pflänzchen. Die Folge: Viele der Pflanzen treiben zwar im folgenden Frühjahr noch aus, aber weil der Saftstrom von den Blättern zur Wurzel unterbrochen ist, sterben sie im Laufe des Jahres ab. Eine alte Försterweisheit lautet daher „Gras, Maus, Aus!“ und besagt, dass die Wiederaufforstung nahezu unmöglich wird, wenn sich erst eine flächige Grasflora etabliert hat. Die einzelnen Baumarten werden dabei von den Mäusen unterschiedlich stark bevorzugt. Linden und Fichten werden generell am wenigsten von Mäusen geschädigt, daher ist der heute hohe Lindenanteil im Bestand kein Zufall und auch die Fichten kommen nicht von ungefähr.
Gras und Mäuse sind nicht das einzige Kulturhindernis
Die Pflanzen, die erfolgreich aus dem Gras aufwachsen können und die Mäuse überleben, werden anschließend vom Rehwild verbissen, denn obwohl ein Zaun gebaut wurde gelangen immer wieder Rehe hinein.
In der Zwischenzeit hat sich die ehemalige Kalamitätsfläche in einen hervorragenden Rehwildeinstand entwickelt. Die Rehe im Zaun sind daher fast unsichtbar. In der üppigen Vegetation von Gras, Brom- und Himbeere, Waldreitgras, Farn und anderen krautigen Pflanzen finden sie hervorragende Deckung. Für Äsung (also das Essen der Rehe) ist auch gesorgt: Die gepflanzten Bäumchen aus der Baumschule wurden dort gut gedüngt und haben deshalb große schmackhafte Knospen. Verschont werden fast nur die Fichten.
Einfliegende Naturverjüngung verbessert die Qualität
Neben den vielen Rückschlägen und den dauernden Ausfällen gibt es auch Lichtblicke, denn aus den Nachbarbeständen fliegen Aspen (Zitterpappel) und Birkensamen ein. Es entwickelt sich eine Naturverjüngung aus Weichlaubhölzern. Zwar bringen diese stellenweise die gepflanzten Bäume zusätzlich in Bedrängnis, weil sie die gepflanzten Bäume überwachsen, bewirken aber heute einen großen Vorteil: Wo sich Weichlaubhölzer angesamt haben, sind die gepflanzten Bäume wipfelschäftiger, höher und weniger astig. Wipfelschäftiger deshalb, weil sich die Äste mit denen der benachbarten Weichlaubhölzer berührten und die Bäume zum Höhen- statt Breitenwachstum angeregt wurden. Durch den Bestandesschluss sind die unteren Äste frühzeitig abgestorben und nicht wie bei solitär stehenden Bäumen apfelbaumartig in die Breite gewachsen.
Apfelbaumähnlicher Habitus einer Eiche;
Foto: B. Betz
Weichlaubhölzer als ökologische Beimischung
Weichlaubhölzer sind aber nicht nur als sogenannte „Füll- und Treibhölzer“, also in der Funktion den Bestandesschluss zu verbessern nützlich, sondern sind auch ökologisch wertvoll: Aspen und Weiden sind eine wichtige Bienennahrung und dienen vielen Insekten als Nahrung. Auch größere Tiere profitieren von Weichlaubhölzern, z.B. Spechte weil diese Bäume bereits nach wenigen Jahrzehnten von innen faul werden und Strukturen zur Höhlenanlage bieten. Die Spechthöhlen dienen dann auch vielen weiteren Bewohnern als Unterschlupf. Käuze, Kleiber und Fledermäuse sind nur einige davon.
Das Laub der Weichlaubhölzer verbessert zusätzlichen den humosen Oberboden, sodass mehr CO2 und Wasser im Humus gespeichert werden können.
Eine weitere wichtige Funktion der Weichlaubhölzer ist der Schutz vor Frost, denn insbesondere bei Spätfrösten schützen Pappel, Weide und Co. ihre Nachbarbäume vor Schäden.
Heutiges Ergebnis – 16 Baumarten statt nur einer
Rund 30 Jahre nach dem Sturm, hat sich heute ein Mischbestand entwickelt, der zwar nicht dem seinerzeitigen Wunschbestand entspricht, aber dennoch bunt gemischt ist: Auf der Fläche finden sich Eiche, Bergahorn, Spitzahorn, Feldahorn, Elsbeere, Rotbuchen, Hainbuchen, Winterlinden, Kiefern, Aspen, Birken, Weiden, Walnussbäume, Fichten, Küstentannen und Douglasien. Insgesamt also 16 Baumarten.
Manche Bereiche sind heute noch grasbewachsen und nur locker bestockt. Die Qualität dieser solitär stehenden Bäume ist in forstlicher Hinsicht miserabel. Wo sich Weichlaubhölzer ansamen konnten ist die Qualität deutlich besser.
Fazit: Waldbesitzer sollten Weichlaubhölzer wo möglich belassen
Weichlaubhölzer im Bestand sind nicht nur in ökologischer Hinsicht wünschenswert, sondern verbessern als „Lückenfüller“ mittelbar auch die Qualität der übrigen Bestandesmitglieder und gewähren durch ihr schnelles Jugendwachstum frühe Holzanfälle. Wo keine klimastabileren Baumarten von ihnen bedrängt werden, sollten Weichlaubhölzer unbedingt erhalten werden. Denn jede zusätzliche Baumart auf der Fläche erhöht die Klimastabilität des Bestandes.
Anfahrtsbeschreibung
Von Madenhausen fährt man über die SW7 in Richtung Völkershausen und biegt ca. 1,4 Kilometer nach dem Ortsende nach links in den Wald ein. Von dort kann der Musterbestand nach einem ca. einen Kilometer langen Fußmarsch erreicht werden.
Lageplan - BayernAtlas
Kostenlose Beratung für Waldbesitzerinnen und Waldbesitzer
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