Landwirtschaft nahbar machen.
Gymnasiasten zu Besuch

In die Köpfe junger Menschen schwirren immer neue Bilder über öffentlich diskutierte Themen, aus Freundeskreis, Schule und der vielfältigen Medienlandschaft. Erstaunlich dabei: Das Bild vom Landwirt stagniert offenbar. Eindrücke aus den Gesprächen zwischen Elftklässlern des Walther-Rathenau-Gymnasiums in Schweinfurt und Studierenden unserer Landwirtschaftsschule.

"Ich hab irgendwie gemeint, ein Landwirt ist immer noch mit Ochse und Pflug auf dem Feld unterwegs und macht halt nur schwere körperliche Arbeit."
Gymnasiast vom Walther-Rathenau-Gymnasium

Nicht jede Veränderung nehmen Menschen gleich wahr.

Überhaupt sind Sehen und Wahrnehmen zwei verschiedene Dinge und der überwiegende Teil dessen, was an Informationen auf uns einwirkt, landet gar nicht oder nicht sofort im Bewusstsein. Für manch einen 17-Jährigen ist darum ein landwirtschaftlicher Betriebsleiter gefühlt noch immer bei schwerer körperlicher Arbeit mit Ochs und Pflug auf dem Feld unterwegs. Dazwischen sieht man ihn mit einem verknitterten Hut auf dem Schlepper durch die Straßen fahren, lautstark hupen und den Verkehr aufhalten. (Dummer) Bauer?

"Die deutsche Landwirtschaft steht im Gymnasium nur in der 5. Jahrgangsstufe auf dem Lehrplan. Das ist für einen 11. Klässler natürlich schon sehr weit weg."
Daniel Hub (Geografielehrer und stellv. Schulleiter am Walther-Rathenau-Gymnasium in Schweinfurt)

Die 11. Jahrgangsstufe des Walther-Rathenau-Gymnasiums besteht aus 33 Schülerinnen und Schülern zwischen 16 und 18 Jahren. In ihrem Unterricht war die deutsche Landwirtschaft hauptsächlich in der 5. Jahrgangsstufe Bestandteil. In diesem Jahr geht es vor allem um den Klimawandel und die Landwirtschaft in den USA. Mit dem Geografielehrer Daniel Hub (auch stellvertretender Schulleiter des WRG) traf der gesamte 11. Jahrgang kurz vor den Weihnachtsferien im Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Schweinfurt auf die 15 Studierenden des 3. Semesters der Landwirtschaftsschule.

Einzige Landwirtschaftsschule in Unterfranken
Nach der Ausbildung zum Landwirt können sich junge Betriebsleiter nur noch in Schweinfurt zum Bachelor Professional und Wirtschafter für Landbau weiterbilden. Die 15 Studierenden des aktuellen 3. Semesters kommen aus den Landkreisen Rhön-Grabfeld (7), Schweinfurt (4) und jeweils einer aus Aschaffenburg, Coburg, den Haßbergen, Kissingen und Kitzingen. Die Betriebsspiegel unserer Studierenden sind so verschieden wie die Böden, die sie bewirtschaften. Der Frauenanteil war in den vergangenen Jahren in etwa gleichbleibend.
Einblick in den landwirtschaftlichen Arbeitsalltag

In Bildern, Videoclips und eigenen Worten gaben die Studierenden Einblick in ihren landwirtschaftlichen Arbeitsalltag und deckten damit (be-) greifbar Zusammenhänge auf, die für die Jugendlichen oft hinter abstrakten Begriffen verborgen bleiben.

"Wertschätzung ist für viele nur ein abstrakter Begriff ohne ein konkretes Bild dazu."
Klaudia Schwarz (Behördenleitern des AELF SW und Rhetoriklehrerin an der LWS).

Was bedeutet Wertschätzung konkret?
Wenn ein junger Mensch ohne landwirtschaftlichen Bezug bei dieser Frage in sich hineinhorcht, findet er möglicherweise kein passendes Bild dafür. Die vielen Bilder im Kopf stehen alle einzeln für sich genommen und scheinen keinen logischen Zusammenhang zu geben. Man muss die Scheine vielleicht mal auf den Tisch legen, um das klarzustellen.
Nun steht da ein junger Erwachsener leibhaftig vor einem und erzählt...

Er erzählt von seinen Überlegungen zur Ausstattung seines Schweinestalls. Er zeigt süße Ferkelchen in einem Strohstall im Vergleich zum nackten Spaltenboden und rechnet mehrere Kalkulationen vor, die er sich für die Finanzierung der nächsten 20 Jahre überlegt hat.

Das Schnitzel und die süßen Ferkelchen
Wenn ein Jugendlicher so einen jungen Betriebsleiter erzählen hört und auf die Ferkelbilder schaut, denkt er insgeheim vielleicht an sein letztes Schnitzel. Wo kam das eigentlich her? Und mit wieviel Euro habe ich das "Wert-geschätzt"?

Erzeugung und Verbrauch

Der Dialog mit den Gymnasiasten zeigt uns einmal mehr, dass Jugendliche nur sehr vereinzelt genau verstehen, wie ihr Verbrauch mit der Erzeugung zusammenhängt. Das scheint nicht unbedingt an mangelndem Wissen zu liegen, auch mangelnde Intelligenz ist sicher nicht die Ursache. Es fehlt schlicht und einfach an der Verknüpfung, am Praxis- und Alltagsbezug. Vielleicht können wir Menschen Zusammenhänge auch nur dann wirklich begreifen, wenn wir einen anderen Menschen haben, der diesen verkörpert. So einen jungen und dynamischen Landwirt z. B., den man verstehen kann, und der sich offenbar viel intensiver für Umwelt, Wirtschaft und Klima einsetzt als die meisten anderen von uns.

Vielleicht können wir Zusammenhänge nur dann wirklich begreifen, wenn wir einen anderen Menschen haben, der diese verkörpert.

Stimmen der Gymnasiasten beim Besuch an der Landwirtschaftsschule

  • positiv überrascht - "War mir gar nicht klar, dass Landwirte so viel mit hochmoderner Technik arbeiten und so digital. Das find' ich schon ziemlich cool."
  • nachdenklich - "Also das ist mir schon aufgefallen, dass man sich beim Einkaufen nicht so die großen Gedanken macht über das Thema Wertschätzung."
  • Landwirtschaft ist anspruchsvoll - "Das ist schon knifflig, was man da alles beachten muss, wenn man einen eigenen Betrieb führt und wirtschaftlich denken muss, aber eben auch für den Naturschutz sorgen und so."
  • Landwirte verdienen Vertrauen - "Die Studierenden haben sich alle echt viel mit dem Thema Zukunft und Verantwortung beschäftigt, muss man sagen. Viel mehr jedenfalls als ich und so die Leute in meinem Umfeld."
Nähe herstellen und pflegen
Der Tenor unter den Schülern war am Ende „positiv überrascht“, auch „nachdenklich“ oder „Landwirtschaft ist anspruchsvoll“, und „Landwirte verdienen Vertrauen“. Lehrkraft Daniel Hub resümierte „Großartig! Man fühlt sich beschenkt“.
Diese Eindrücke machen Hoffnung. Es ist möglich, wieder mehr Nähe zur Landwirtschaft herzustellen. Aber man muss sie eben auch pflegen...